Obwohl Deutschland das Ziel verfolgt, zwei Prozent seiner Fläche in Wildnisgebiete umzuwandeln, liegt der aktuelle Wert laut einer Studie der Naturstiftung David, der Heinz Sielmann Stiftung und der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt bei lediglich 0,62 Prozent, was etwa 220.600 Hektar entspricht. Damit wurde das für 2020 angestrebte Zwei-Prozent-Ziel deutlich verfehlt. Trotzdem hält Adrian Johst, Geschäftsführer der Naturstiftung David, die zwei Prozent weiterhin für erreichbar, da Deutschland über ausreichend geeignete Flächen verfüge. Mit den bereits geplanten Gebieten könnte der Anteil in den nächsten Jahren auf 0,73 Prozent ansteigen (Zeit Online, 09.12.2024).
Die Zwei-Prozent-Marke ist ein Kernziel der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt von 2007. Die Studie untersuchte den aktuellen Stand der Wildnisgebiete in Deutschland und analysierte das Potenzial für weitere Flächen.
Die von Heiko Schumacher von der Heinz Sielmann Stiftung mitpräsentierten Studienergebnisse zeigen, dass sich auf zusätzlichen 1,67 Prozent der Landesfläche Wildnis entwickeln könnte. Somit könnte das Zwei-Prozent-Ziel sogar übertroffen werden. Mecklenburg-Vorpommern (1,6 Prozent) und Brandenburg (1,1 Prozent) sind laut Studie kurz davor, das Ziel für ihr Bundesland zu erreichen. Adrian Johst begründet dies mit den "vielen großen, unzerschnittenen Flächen" in diesen Bundesländern. Mecklenburg-Vorpommern weist mit 38.000 Hektar die größte Wildnisfläche auf, die bald um weitere 1.000 Hektar Wald auf Rügen erweitert werden soll. Brandenburg verfügt über rund 34.000 Hektar Wildnisfläche (Geo, 09.12.2024).
Bayern besitzt mit 36.500 Hektar zwar eine beträchtliche Wildnisfläche, doch der Anteil an der Gesamtfläche des Bundeslandes beträgt nur 0,5 Prozent. Selbst in Nordrhein-Westfalen, einem dicht besiedelten Bundesland, wäre laut Johst die Ausweisung von zwei Prozent der Landesfläche als Wildnisgebiete möglich. Dies beträfe vor allem Landeswaldflächen. Die politische Umsetzbarkeit sei jedoch eine andere Frage. Derzeit umfassen die Wildnisgebiete in Nordrhein-Westfalen 7.800 Hektar, das entspricht 0,2 Prozent der Landesfläche (Geo, 09.12.2024).
Große Wildnisgebiete zeichnen sich durch die ungestörte Entwicklung der Natur ohne direkte menschliche Eingriffe aus. Sie müssen eine zusammenhängende Fläche von mindestens 1.000 Hektar umfassen, für Auwälder, Küsten und Moore sind 500 Hektar ausreichend. Viele Wildnisgebiete liegen in Nationalparks. Auch stark vom Menschen geprägte Flächen, wie ehemalige Bergbau- oder Militärgebiete, können sich zu Wildnis entwickeln.
Christian Unselt, Vorsitzender der Nabu-Stiftung Nationales Naturerbe, unterstreicht den Wunsch vieler Deutscher nach mehr Wildnis und deren Bedeutung für die natürliche Entwicklung der Natur. Heiko Schumacher von der Heinz Sielmann Stiftung betont die Wichtigkeit von Wildnis als "Schatzkammer der biologischen Vielfalt" und für den Klima- und Hochwasserschutz. Nadelwälder machen mit 34 Prozent den größten Teil der bestehenden Wildnisgebiete in Deutschland aus, gefolgt von Laubwäldern (25 Prozent) und Mischwäldern (8 Prozent) (Geo, 09.12.2024).
Die Nationale Strategie von 2007 wird derzeit überarbeitet. Die Bundesregierung will die Zwei-Prozent-Marke bis 2030 erreichen. Da der Bund nicht über genügend eigene Flächen verfügt, benötigt er für die Umsetzung die Unterstützung der Länder, privater Akteure, Stiftungen und Verbände (Geo, 09.12.2024).
Quellen: