Eine Welle der Gewalt hat Nordrhein-Westfalen im Sommer 2024 erschüttert. Explosionen, Geiselnahmen und Folter – Ereignisse, die an die dunkelsten Zeiten des Drogenkriegs erinnern. Im Zentrum der Ermittlungen steht die sogenannte „Mocro-Mafia“, ein loses Netzwerk krimineller Banden, das seinen Ursprung in den Niederlanden hat. Doch handelt es sich bei den jüngsten Ereignissen tatsächlich um einen neuen Drogenkrieg auf deutschem Boden oder sind andere Faktoren für die Eskalation der Gewalt verantwortlich?
Am 5. Juli 2024 stürmte ein Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei eine Villa in Köln-Rodenkirchen und befreite zwei Geiseln aus den Händen von mutmaßlichen Drogenhändlern. Die beiden Opfer, ein Mann und eine Frau, waren zuvor schwer misshandelt und gefoltert worden. Der Fall sorgte bundesweit für Entsetzen und markierte eine neue Eskalationsstufe im Kampf gegen die organisierte Kriminalität in Deutschland. Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) berichtete, sollen die Täter Verbindungen zur sogenannten „Mocro-Mafia“ haben, einem losen Netzwerk krimineller Banden, das seinen Ursprung in den Niederlanden hat.
Der Begriff „Mocro-Mafia“ ist jedoch umstritten. „Mocro“ ist ein niederländisches Slangwort für Menschen marokkanischer Herkunft. Der Begriff suggeriert eine homogene, ethnisch abgeschlossene Gruppe, was der Realität nicht entspricht. Tatsächlich handelt es sich bei den Mitgliedern der „Mocro-Mafia“ um ein heterogenes Netzwerk von Kriminellen unterschiedlicher Herkunft, die durch gemeinsame Geschäftsinteressen im Drogenhandel verbunden sind. „Der Begriff legt nahe, dass es sich um eine abgeschlossene ethnische Gruppe handelt. Das stimmt so nicht“, erklärt Benedikt Strunz, Investigativjournalist beim NDR und Experte für Organisierte Drogenkriminalität, gegenüber der FAZ.
In den Niederlanden tobt bereits seit Jahren ein blutiger Drogenkrieg zwischen rivalisierenden Banden. Die liberale Drogenpolitik des Landes hat die organisierte Kriminalität begünstigt und zu einer massiven Ausbreitung des Drogenhandels geführt. Die Folge: Gewalt, Morde und Einschüchterung. Auch in Deutschland warnen Experten vor einer ähnlichen Entwicklung. „Die niederländische Drogenmafia ist längst hier, und NRW als Verkehrsdrehscheibe ist da ein Dreh- und Angelpunkt. Was man sich klarmachen muss: Das sind wirklich Täter von äußerster Brutalität“, sagte Michael Mertens, NRW-Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), im Juli 2024 gegenüber dem „Spiegel“.
Die Legalisierung von Cannabis in Deutschland im April 2024 hat die Debatte um einen drohenden Drogenkrieg weiter angeheizt. Kritiker befürchten, dass die Legalisierung den Schwarzmarkt für Drogen weiter ankurbeln und damit auch die Macht der organisierten Kriminalität stärken wird. Tatsächlich ist die Nachfrage nach Cannabis in Deutschland seit der Legalisierung stark gestiegen. Gleichzeitig ist der legale Markt noch nicht in der Lage, den Bedarf vollständig zu decken. Dies eröffnet kriminellen Organisationen wie der „Mocro-Mafia“ neue Möglichkeiten, ihre illegalen Geschäfte auszuweiten.
Nordrhein-Westfalen spielt im Drogenkrieg eine besondere Rolle. Das bevölkerungsreichste Bundesland ist aufgrund seiner Lage an der Grenze zu den Niederlanden und Belgien ein wichtiger Umschlagplatz für Drogen. Die „Mocro-Mafia“ ist hier bereits seit Jahren aktiv und hat ein weitverzweigtes Netzwerk aufgebaut. Die Polizei steht vor einer großen Herausforderung. „Wir haben hier eine neue Dimension der Gewalt im Bereich der Organisierten Kriminalität erleben müssen, die es so hier in Deutschland meines Wissens noch nicht gegeben hat“, sagte Kölns Kripo-Chef, Kriminaldirektor Michael Esser, auf einer Pressekonferenz im Juli 2024.
Die Frage, ob sich Deutschland in einem neuen Drogenkrieg befindet, lässt sich nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten. Die Situation ist komplex und vielschichtig. Fest steht: Die Gewalt im Drogenmilieu hat in den vergangenen Monaten zugenommen. Die „Mocro-Mafia“ ist ein ernstzunehmender Gegner, der vor extremer Brutalität nicht zurückschreckt. Die Legalisierung von Cannabis hat die Situation zusätzlich verschärft. Die Sicherheitsbehörden stehen vor einer großen Herausforderung. Um den Drogenkrieg zu bekämpfen, bedarf es einer konsequenten Strafverfolgung, einer besseren internationalen Zusammenarbeit und einer umfassenden Präventionsstrategie.
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