Hoch in den Schweizer Alpen, auf knapp 2000 Metern Höhe, spielt sich ein Bauprojekt der Superlative ab: Die Kraftwerke Oberhasli AG (KWO) ersetzen die in die Jahre gekommene Staumauer Spitallamm am Grimselsee. Das Projekt stellt die Ingenieure vor enorme Herausforderungen, denn die Baustelle ist nur wenige Monate im Jahr zugänglich und die Witterungsbedingungen extrem.
„Anfangs habe ich mich schon gefragt, ob ich das schaffe“, gesteht Peter Mosimann, Maurer auf der Baustelle am Grimselsee, in einem Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Sechs Jahre lang hat er mit über 100 Kollegen an der neuen Staumauer gearbeitet, die sich imposante 113 Meter in die Höhe schraubt. Die alte Staumauer aus dem Jahr 1932 wies Risse auf und stellte im Fall eines Erdbebens ein Sicherheitsrisiko dar.
Die Arbeiten am Grimselsee sind nichts für schwache Nerven. Die Baustelle ist nur über steile Serpentinenstraßen erreichbar und selbst in den Sommermonaten kann das Wetter schnell umschlagen. „Der Nebel ist das größte Problem“, erklärt Mosimann, „dann sehen die Kranführer nichts mehr.“ Um den Spezialbeton in die Schalung zu hieven, kommen zwei riesige Turmdrehkräne zum Einsatz, die mit 97 Metern die höchsten der Schweiz sind.
Die Kranführer erreichen ihren Arbeitsplatz über eine schwindelerregende Leiter mit 334 Sprossen. Oben angekommen, verbringen sie ihre gesamte Schicht in der kleinen Führerkabine, die mit einer Miniküche und sogar einer Toilette ausgestattet ist. Bei Nebel müssen sie sich auf den Funkverkehr mit den Kollegen am Boden und die Bilder der Kamera am Kranhaken verlassen. Jeder Fehler kann hier fatale Folgen haben.
Baustellenchef Kai Lehner ist stolz darauf, dass es in den sechs Jahren Bauzeit keine nennenswerten Unfälle gegeben hat. Für den 30-jährigen Bauingenieur ist der Bau der Ersatzstaumauer Spitallamm eine Pionierleistung. „Da ist viel Know-how verloren gegangen“, erklärt Lehner im Interview mit der „FAZ“. „Wir mussten erst wieder lernen, wie man so etwas überhaupt macht.“
Die Schweiz ist mit über 220 großen Talsperren das Land mit der höchsten Staudammdichte weltweit. Mehr als die Hälfte des produzierten Stroms stammt aus Wasserkraftwerken. Doch der Bau neuer Staudämme ist in der heutigen Zeit, in der Umweltaspekte eine immer wichtigere Rolle spielen, ein Politikum.
Die KWO musste sich in der Vergangenheit Kritik von Umweltschützern gefallen lassen, die die Überflutung von Moorlandschaften im Zuge des Projekts „KWO plus“ anprangerten. Das Bundesgericht entschied jedoch zugunsten der KWO, da die betroffenen Flächen nicht unter den strengen Schutzbestimmungen fallen.
Für die Bauarbeiter am Grimselsee überwiegt der Stolz, Teil eines Jahrhundertprojekts zu sein. „Ich mag die Berge und bin gerne in abgelegenen Tälern“, sagt Daniel Selliner, Bauführer auf der Großbaustelle. Die spektakuläre Aussicht auf die umliegenden Gipfel entschädigt für die harten Arbeitsbedingungen.
Die neue Staumauer Spitallamm soll mindestens 100 Jahre halten und einen wichtigen Beitrag zur Schweizer Energiesicherheit leisten. Die Kosten für das Projekt belaufen sich auf rund 125 Millionen Franken.
Quellen: