Hitzige Duelle am Start, wechselnde Führungen, technische Probleme, Disqualifikationen – und das alles bei Geschwindigkeiten an der Grenze zu 100 Kilometern in der Stunde: Das Finale der Herausforderer beim America’s Cup in Barcelona zwischen dem italienischen Team Luna Rossa und der Ineos-Crew aus Großbritannien hält, was es verspricht. Nach den ersten acht Duellen vor den Augen von Tausenden Zuschauern am Strand von Barceloneta steht es 4:4. Sieben Siege benötigt eine Crew, um das Ticket für das Finale um den 37. America’s Cup zu lösen und ab dem 12. Oktober gegen den zweimaligen Titelverteidiger aus Neuseeland antreten zu dürfen.
Besonders die beiden Rennen am Dienstag entwickelten sich zu einem wahren Thriller. Im ersten Rennen des Tages mussten die Italiener nach knapp der Hälfte der Distanz aufgeben. Bei voller Geschwindigkeit erlitt die auf ihren beiden tragflächenähnlichen Foils über das Wasser fliegende Yacht einen plötzlichen Strömungsabriss und tauchte mit dem Bug ins Wasser ein. Der heftige Aufprall beschädigte mehrere Carbon-Abdeckungen am Rumpf so stark, dass eine Weiterfahrt unmöglich war – der Punkt ging an die Briten.
„Bei uns ist alles gebrochen“, meldete ein Crewmitglied von Luna Rossa sichtlich geschockt über Funk. Doch der Schaden stellte sich als nicht so gravierend heraus, wie zunächst befürchtet. In der etwa einstündigen Pause bis zum zweiten Rennen des Tages leistete das Ingenieurteam ganze Arbeit und reparierte die Yacht fast vollständig. Hoch motiviert gingen die Italiener erneut an den Start, erarbeiteten sich eine hervorragende Ausgangslage und profitierten von einem Fehler der Briten. Die Ineos-Crew überfuhr noch vor Ablauf des Countdowns die Streckenbegrenzung, handelte sich eine Strafe ein und passierte die Startlinie erst Sekunden nach den Italienern. Diesen Rückstand holten die Briten bei besten Segelbedingungen nicht mehr auf – 4:4.
Schon in den Tagen zuvor lieferten sich die von dem Briten Sir Ben Ainslie und dem für Italien startenden Australier Jimmy Spithill angeführten Crews von Ineos und Luna Rossa auf dem knapp 3,6 Kilometer langen Kurs vor der Küste Barcelonas ein Duell auf Augenhöhe. Wie die FAZ berichtet, wechselten die Führungen teilweise zwischen acht und zwölf Mal pro Rennen, und im Ziel betrug der Vorsprung der Siegeryacht teilweise nur wenige Sekunden. Oftmals gewann am Ende dennoch das Team, das sich in der Phase vor dem Start die bessere Ausgangsposition erkämpfen konnte.
Allein am Sonntag wurde ein Rennen bereits vor dem Start entschieden. Die Italiener wurden von der Rennleitung frühzeitig disqualifiziert, weil sie aufgrund eines Defekts auf dem Wasser das Segel wechseln mussten und dabei unerlaubt Hilfe von den Teammitgliedern auf ihrem Verfolgerboot erhielten. Am Samstag musste das einzige Rennen des Tages sogar abgebrochen werden, bevor ein Sieger feststand: Wegen zu geringer Windgeschwindigkeiten endete das Rennen wegen des Überschreitens des Zeitlimits von 45 Minuten vorzeitig – zum Ärger der zu diesem Zeitpunkt in Führung liegenden Briten.
Insgesamt agieren die Crews bei maximalen Windgeschwindigkeiten von 21 Knoten am absoluten Limit. Neben der jeweils vierköpfigen „Powergruppe“, die allein mit Muskelkraft die nötige Energie an Bord erzeugt, um die hydraulischen Systeme punktgenau steuern zu können, und dabei in jedem Rennen an die Grenzen der körperlichen Belastbarkeit geht, ist auch die jeweils aus zwei Steuermännern und zwei Trimmern bestehende Steuergruppe aufs Höchste gefordert, um bei maximalem Tempo zentimetergenaue Entscheidungen für die Route der Yacht und die Einstellung der Segel treffen zu können. Sich mit einer Geschwindigkeit von mehr als 52 Knoten (96 Kilometern in der Stunde) über das teilweise aufgewühlte Meer zu bewegen, fühle sich an, „wie mit einem Ferrari über Eis“ zu fahren, erklärte Spithill am Wochenende. Für ihn sei das Duell mit den Briten „ein echter Streetfight auf dem Wasser“. Und Ainslie ergänzte: „Es ist eine unglaubliche Herausforderung. Man muss wirklich sehr konzentriert sein, um das Boot in Fahrt zu halten. Es ist ein echtes Biest.“
Worauf es am Ende ankommen wird? Laut Ineos-Co-Pilot Dylan Flechter allein „auf Marginalien“. Die Boote und die Crews seien für ihn einfach zu ausgeglichen, um eine Prognose darüber abgeben zu können, wer es ins finale Duell mit den Neuseeländern um die älteste und prestigeträchtigste Segeltrophäe der Welt schaffen wird. „Es kommt darauf an, welches Team mit jedem Rennen ein Stück weit mehr über sich selbst, die Yacht und die Bedingungen lernt und diese Erfahrung dann auch bestmöglich umsetzt. Jeder Fehler kann entscheidend sein“, sagt Fletcher.
Der America’s Cup wurde erstmals 1851 vor der britischen Isle of Wight ausgetragen. Mittlerweile geben die Teams für Entwicklung, Bau und Unterhalt ihrer Hightech- und Highspeed-Yachten sowie ihre Crew, die fast 50 Personen umfasst, mehr als 100 Millionen Dollar für ihre mehrjährigen Cup-Kampagnen aus. Neben den Neuseeländern 2017 und 2021 sowie den Schweizern von Alinghi 2003 und 2007 konnten einzig und allein die Australier im Jahr 1983 als nichtamerikanisches Team den America’s Cup gewinnen.
Quelle: FAZ.NET
- https://www.faz.net/aktuell/sport/mehr-sport/america-s-cup-2024-in-barcelona-duell-zwischen-luna-rossa-und-ineos-wird-zum-thriller-110019961.html - https://www.yacht.de/regatta/americas-cup/america-s-cup-barcelona-krimi-britannia-und-luna-rossa-bug-an-bug/ - https://floatmagazin.de/leute/ein-wochenende-zum-naegel-kauen-beim-americas-cup/ - https://www.sportschau.de/segeln/krimi-am-sonntag-beim-americas-cup,americas-cup-116.html - https://www.faz.net/aktuell/sport/mehr-sport/america-s-cup-vor-barcelona-ineos-trifft-auf-luna-rossa-im-kampf-ums-finale-110008363.html - https://segelreporter.com/kategorie/regatta/americas-cup/ - https://www.yacht.de/regatta/americas-cup/america-s-cup-drama-im-halbfinale-patriot-verkuerzt-nach-bruch-auf-luna-rossa-auf-3-4/