Harley-Davidson hat seine berühmten Tourer radikal überarbeitet. As reported by der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, fallen die Überarbeitungen der Schwergewichtstourer Street Glide und Road Glide recht radikal aus. Das auffälligste Zeichen dafür ist der riesige Touchscreen, der die alten Analoginstrumente ersetzt.
Erinnern wir uns: Als Harley-Davidson vor Jahren ansetzte, Bremsanlagen mit ABS zu verbauen, wurden die erforderlichen Sensorkränze – an den Rädern aller anderen Hersteller sichtbar – sorgfältigst versteckt, damit auch ja nichts den American Anblick verhunze. Zentrales Element des Harley-Fahrens war stets eine unerschütterliche Selbstgewissheit, der es vollkommen egal ist, ob andere mehr Fahrmodi haben, ein ausgeprägtes Desinteresse an der Frage, ob irgendwer ein stärkeres, agileres, mit mehr Computerei ausgestattetes Fahrzeug bewegt. Harley ist Harley.
Doch die Welt dreht sich immer schneller, nicht mal Harley-Davidson, seit 1903 im Geschäft, kann das aufhalten. Der Modellwechsel in der Touring-Baureihe zum Motorradjahr 2024 zeigt das in aller Deutlichkeit.
Auffälliges Zeichen: Aus dem Cockpit der beiden Reisemaschinen wurden sämtliche Analoginstrumente entfernt, Nadel ade. Stattdessen macht sich ein Cinemascope-Bildschirm breit, auf dem man sich gut noch einmal den Monumentalschinken „Die zehn Gebote“ mit Charlton Heston als Moses und Yul Brynner als Ramses II. ansehen könnte, nicht zu vergessen Anne Baxter als Nefertari. Es handelt sich um ein brillant gemachtes Instrument.
Die Zeiten verlangen danach. Wer im Alltag längst unter Bildschirmüberdruss leidet und den Anblick der früheren Cockpit-Kombination aus vier analogen Rundinstrumenten und wesentlich kleinerem Display bevorzugt, muss sich fügen. Drei Ansichtsmodi stehen für den 12,3-Zoll-Touchscreen zur Wahl: Tour präsentiert zentral die Karte der Navifunktion. Sport rückt den Drehzahlmesser in den Mittelpunkt, als handelte es sich bei den korpulenten Schwestern um Sportmotorräder. Cruise sortiert die Pixel so, dass es ansatzweise nach einem Paar klassischer Analoguhren aussieht, immerhin.
Die Touchsteuerung hat keineswegs zum Verschwinden von Tasten und Schaltern an den Lenkerenden geführt, im Gegenteil, es gibt überreichlich davon, links wie rechts. Begrüßen werden das Menschen, die auf dem Motorrad nicht ständig den ausgestreckten Zeigefinger zum Bildschirm führen möchten. Sprachsteuerung über ein Bluetooth-Headset ist eine weitere Möglichkeit.
Skyline OS nennt Harley-Davidson sein Betriebssystem fürs Infotainment. Es serviert Radio, Musikstreaming, Telefon, Verkehrs- und Wetterdaten. Der 200-Watt-Sound aus Lautsprechern in der Verkleidungsinnenseite übertönt die alte Anlage wie damals der Ghettoblaster das Nordmende-Kofferradio. Per Bluetooth docken Apple- und Android-Geräte an; Apple CarPlay funktioniert rätselhafterweise nur in Kombination mit einem Headset. Direkt unterm Bildschirm der Street Glide befindet sich ein Fach mit USB-C-Anschluss fürs Smartphone. Es ist 25 Zentimeter breit und 20 tief, sodass man ohne Übertreibung von einer Motorrad-Schublade sprechen darf.
Das alte war verschachtelt und eng, im neuen Fach verschwindet ein größerer Apfel, ohne dass man Angst haben muss, ihn zu quetschen. Die Klappe lässt sich während der Fahrt durch Druck auf die Oberseite öffnen, was in der Praxis dazu führt, dass man es immer wieder versehentlich tut, weil man den Oberschenkel leicht anlehnt.
Motor und Technik sind bei beiden Modellen identisch, den Unterschied machen die Verkleidungen. Die Street Glide trägt den lenkerfest montierten „Batwing“, die Road Glide die rahmenfeste „Sharknose“. Sie ist das Fahrzeug für alle, die gern etwas weiter vorausdenken, denn der Fahrtwind zerrt spürbar am Lenker, wenn man den breiten Latz der Verkleidung mal eben zur Seite drücken möchte, um zu sehen, was direkt vor dem Vorderrad los ist.
Seekraft: Motor und Technik sind identisch, den Unterschied zwischen Street Glide (rechts) und Road Glide bilden die Verkleidungen.Walter Wille
Der Milwaukee-Eight 114, ein V2 mit 1868 Kubikzentimeter Hubraum, treibt beide Tourer an. Er liefert 94 PS und ein gewaltiges Drehmoment von 155 Newtonmeter bei 3000 Umdrehungen pro Minute. Die Kraftentfaltung erfolgt sanft und gleichmäßig, Vibrationen sind kaum spürbar. Das Sechsganggetriebe schaltet sich präzise und leichtgängig.
Das Fahrwerk der Harley-Davidson Tourer ist komfortabel abgestimmt und bügelt Bodenunebenheiten souverän weg. Die Sitzposition ist entspannt, auch längere Strecken lassen sich bequem bewältigen. Die Bremsen verzögern kraftvoll und gut dosierbar. Das Kurven-ABS sorgt für zusätzliche Sicherheit.
Sehorgan: Der Touchscreen im Großformat ersetzt die alten Analoginstrumente.Hersteller
Erstmals bietet Harley-Davidson in seinen Tourern verschiedene Fahrmodi an: Road, Sport und Rain. Sie beeinflussen die Gasannahme, die Traktionskontrolle und die Motorbremse. Die Unterschiede sind deutlich spürbar. Im Rain-Modus ist die Gasannahme sanfter, die Traktionskontrolle greift früher ein und die Motorbremse ist stärker.
Zu den weiteren Assistenzsystemen gehören eine Berganfahrhilfe, eine Reifendruckkontrolle und ein schlüsselloses Startsystem.
Harley-Davidson hat seine Tourer gründlich modernisiert. Die neuen Modelle bieten mehr Komfort, mehr Sicherheit und mehr Fahrspaß. Der große Touchscreen, die Fahrmodi und die Assistenzsysteme machen die Harleys fit für die Zukunft.
Quellen: