September 30, 2024
Herbert Kickl der umstrittene Wahlsieger und seine politische Agenda

Herbert Kickl führt die FPÖ auf einen Kurs der Radikalität und Fundamentalopposition. Von seinem Privatleben ist wenig bekannt. Politisch aber prägt er den Kurs des Wahlsiegers. Wer Herbert Kickl auf dem FPÖ-Parteitag in Klagenfurt 2017 erstmals sah, wie er eine Rede vor geneigtem Publikum hielt, rieb sich die Augen: Das sollte der Mann sein, der als graue Eminenz im Hintergrund die Wahlerfolge organisierte, mit denen sein Parteichef Heinz-Christian Strache oder der Präsidentschaftskandidat von 2016, Norbert Hofer, glänzte? Kickl stach sie alle aus in rhetorischem Geschick und demagogischer Schärfe. Nur, um dann scheinbar wieder in der Kulisse zu verschwinden. Doch im gleichen Jahr trat Kickl vor den Vorhang, als er von seiner Partei in der „türkis-blauen“ Koalition zum Innenminister nominiert wurde.

Die Zeit, als er dann im Scheinwerferlicht (auch der Kritik) und an den Schalthebeln der Macht saß, scheint in Kickl Glauben geweckt zu haben, selbst für die erste Reihe bestimmt zu sein. So ist jedenfalls der Eindruck von außen. Jemanden, der beanspruchen kann, ihm hinter die Fassade geblickt zu haben, findet man nicht einmal in seiner Partei, geschweige denn bei den Medien. Einmal, als Minister, sprach er mit einer Journalistin ansatzweise über sein Privatleben, seine Frau und seinen Sohn, ohne sie aber wirklich auf sein Territorium vorzulassen.

Jedenfalls, der Stachel, dass er im Zuge der Ibiza-Affäre Straches, mit der Kickl eigentlich nichts zu tun hatte, als erster Minister in der Geschichte der Republik durch den Bundespräsidenten entlassen wurde, sitzt offensichtlich tief. Und umso höher dürfte seine Genugtuung sein, dass die FPÖ fünf Jahre nach dem Absturz von Ibiza unter seiner Führung nun das beste Ergebnis ihrer Geschichte in nationalen Wahlen erreicht hat. Kickl ist der Wahlsieger 2024.

Kickl wurde 1968 in Villach als Einzelkind in einer Arbeiterfamilie geboren, die in einer Siedlung im kärntnerischen Radentheim zu Hause war. Dass er die Matura ablegte und studierte (Publizistik und Politik sowie Philosophie), belegt eine Aufsteigergeschichte, geprägt durch die Ära des SPÖ-Kanzlers Kreisky. Kickls Biographen Bauer und Treichler berichten auch von allerlei abgebrochenen Anfängen: beim Militär, dann auch bei beiden Studiengängen. Kickl heuerte bei Jörg Haider an, dem FPÖ-Star seit den 1980er Jahren. Er machte sich als Laufbursche, Sprücheschmied und Organisator nützlich.

Als Haider die FPÖ in die Regierung Schüssel führte, dann aber spaltete, blieb er bei der Partei, nicht dem Mentor. Er diente loyal Strache, obwohl er selbst gemerkt haben musste, dass er mehr konnte – bis Straches Ibiza-Geschichte an die Öffentlichkeit platzte. Über Strache senkte er schnell den Daumen, den Übergangsvorsitzenden Hofer zermürbte er dann auch bald. Seither führt er die FPÖ auf einen Kurs der Radikalität und Fundamentalopposition. Die Zeit der „Distanziererei“ vom rechten Rand ist unter Kickl vorbei. Ihm ist es gelungen, die FPÖ (wieder) zur Projektionsfläche für mannigfaltigen Protest in schwierigen und unübersichtlichen Zeiten zu machen. Allerdings um den Preis, dass er außerhalb seiner Partei niemanden zu finden scheint, der mit ihm kann. Ob sein Projekt Ballhausplatz zu den abgebrochenen Versuchen gehört oder letztlich zum Ziel führt, wird nicht nur von Beharrlichkeit abhängen, sondern auch von einer Geschmeidigkeit, die ihm im Moment wenige zuzutrauen scheinen.

Die Rechtspopulisten in Österreich feiern den besten Tag ihrer Parteigeschichte. Laut Hochrechnungen erreichte die FPÖ rund 29 Prozent. Großer Verlierer ist die regierende ÖVP. Für Kickl dürfte es dennoch schwer werden, Kanzler zu werden. Wie der Deutschlandfunk berichtet, ist der Jubel bei der FPÖ groß. Es ist ihr bisher größter Triumph.

Dennoch ist die Regierungsbildung schwierig. Wie die Tagesschau berichtet, will keine der anderen Parteien mit Kickl zusammenarbeiten. Die SPÖ positionierte sich bereits im Wahlkampf als „Brandmauer“ gegen die FPÖ. Die Liberalen Neos schließen eine Koalition ebenfalls aus. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger sagte dem Wahlsieger Kickl: „Ich will Sie nicht in der Regierung haben, weil ich halte das nicht für gut für unser Land“.

Auch international sorgt der Wahlsieg der FPÖ für Besorgnis. Wie die Aargauer Zeitung berichtet, wird die FPÖ von politischen Gegnern als rechtsextrem eingestuft. Der Grund dafür sind unter anderem die Verbindungen der Partei zur rechtsextremen Burschenschaft Olympia. So wurde bei der Beerdigung eines ehemaligen FPÖ-Politikers das SS-Lied „Und wenn alle untreu werden“ gesungen. Unter den Trauergästen befanden sich auch drei FPÖ-Kandidaten für die Nationalratswahl.

Der Tagesspiegel titelt: „Das „Kickl-Problem“: FPÖ in Österreich vorne – was das Land jetzt erwartet“. Die Wahl werde Österreich verändern. Viele Menschen seien besorgt über den Wahlerfolg der FPÖ.

Die Weltwoche analysiert die Situation folgendermaßen: Kickl sei eindrucksvoll zum Volkskanzler gewählt worden. Mit dem stärksten Ergebnis, welches die Freiheitlichen jemals erzielt haben. Mit beinahe 29 Prozent und 57 Mandaten kann Kickl zu Recht den Anspruch stellen, mit der Bildung einer Regierung beauftragt zu werden. Ob nach Italien ein Rechtspopulist Regierungschef in einem westlichen Land wird? Und wie werden Berlin, Brüssel und Paris reagieren?

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