Mit einer außergewöhnlichen Performance hat das Staatstheater Wiesbaden am vergangenen Freitag die neue Spielzeit eingeläutet. 30 Darsteller, alle aus Wiesbaden und Umgebung, zeigten sich in Doris Uhlichs Stück „Habitat“ vor dem Theater völlig nackt. Die österreichische Choreographin, bekannt für ihre unkonventionellen Inszenierungen, wurde von den neuen Intendantinnen Beate Heine und Dorothea Hartmann eingeladen, mit diesem Stück den Auftakt ihrer ersten Spielzeit zu gestalten.
Die Reaktionen auf die Performance, die eine Mischung aus Ritual, Eroberung traditioneller Räume und Neuinterpretation darstellt, waren überwiegend positiv. Das Publikum zeigte sich begeistert, während Passanten zum Teil irritiert auf die vielen nackten Körper reagierten.
Uhlich, die „Habitat“ seit 2017 an verschiedenen Orten in Europa zeigt und immer wieder neu adaptiert, betont, dass es in dem Stück nicht um Voyeurismus gehe. Vielmehr sollen die unterschiedlichen Körper der Darsteller, ob jung oder alt, männlich, weiblich oder non-binär, mit oder ohne Behinderung, die Vielfalt menschlicher Körperlichkeit aufzeigen und als Träger individueller und kollektiver Geschichten erfahrbar machen.
Die Performance startete am Bowling Green, wo sich das Publikum zunächst noch etwas befremdet von den nackten Körpern zeigte. Doch im Laufe des Abends, der die Zuschauer und Darsteller zu verschiedenen Orten im Kurpark, zum Kurhaus und schließlich ins Staatstheater führte, wich die anfängliche Skepsis einem zunehmenden Interesse und schließlich großer Begeisterung.
Besonders eindrucksvoll war die Inszenierung im neoklassizistischen Kurhaus. Wie die FAZ berichtet, bildeten die dort präsentierten, nur halb bekleideten Göttinnen und Musen einen spannenden Kontrast zu den nackten Körpern der Darsteller und dem gleichzeitig einsetzenden Techno-Sound, der von Uhlichs langjährigem Sounddesigner Boris Kopeinig, ebenfalls nackt, kreiert wurde.
Die Choreographie von „Habitat“ beinhaltet auch Momente des Innehaltens, in denen sich die Darsteller gegenseitig betrachten und berühren. So werden die Körper, mit all ihren vermeintlichen Makeln, Narben und Zeichen der Zeit, in den Fokus gerückt und eine neue Sicht auf die eigene und fremde Körperlichkeit ermöglicht.
Die Performance, die insgesamt über 100 Minuten dauerte und immer wieder von Szenenapplaus unterbrochen wurde, endete schließlich im prunkvollen Foyer des Staatstheaters. Dort, umgeben von üppigen, nackten Figuren aus Gips, feierten die Darsteller mit wildem Tanz und treibenden Beats eine letzte, exzessive Performance.
Wer die Aufführung am Freitag verpasst hat, hat am 29. September um 15 Uhr noch einmal die Gelegenheit, „Habitat“ zu erleben.
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