Seine Songs wurden von Elvis Presley, Jerry Lee Lewis und Janis Joplin gesungen: Am Samstag ist der Musiker und Songwriter Kris Kristofferson gestorben. Wie die Familie am Sonntag mitteilte, starb Kristofferson am Samstag im Alter von 88 Jahren friedlich zu Hause auf Maui (Hawaii). Kristofferson galt als einer der bedeutendsten Songwriter aller Zeiten. Seine Songs wurden von Musik-Legenden wie Elvis Presley, Jerry Lee Lewis, Joan Baez, Willie Nelson, Janis Joplin und Ray Charles gesungen. Erfolgreich war er auch in Film und Fernsehen. Über die Ursache seines Todes gab es zunächst keine Angaben. „Wir sind alle so gesegnet für unsere Zeit mit ihm. Danke, dass ihr ihn all die vielen Jahre geliebt habt, und wenn ihr einen Regenbogen seht, dann wisst, dass er auf uns alle herablächelt“, hieß es in der Erklärung der Familie weiter. Sie wurde im Namen von Kristoffersons Frau Lisa, seinen acht Kindern Tracy, Kris Jr., Casey, Jesse, Jody, John, Kelly und Blake sowie seinen sieben Enkelkindern abgegeben.
Geboren wurde der Enkel schwedischer Einwanderer 1936 in Brownsville ganz im Süden von Texas. Mit einem Stipendium für Hochbegabte studierte er im britischen Oxford und wollte zunächst Schriftsteller werden. Als er damit keinen Erfolg hatte, wurde er Hubschrauberpilot beim US-Militär und war von 1962 bis 1965 in Bad Kreuznach (Rheinland-Pfalz) stationiert. Danach ging er in die Hochburg der Countrymusik, nach Nashville. Bald stand Kristofferson neben Bob Dylan auf der Bühne und schrieb einen Hit nach dem anderen, darunter „Sunday Morning Coming Down“ und „Help Me Make It Through the Night“. Er gewann drei Grammys: für den besten Country-Song und für zwei Duette mit Rita Coolidge, mit der er von 1973-80 verheiratet war. Zudem wurde er zum gefeierten Filmstar. In den 70er Jahren spielte er mit der Oscar-Gewinnerin Ellen Burstyn in Martin Scorseses „Alice Doesn't Live Here Anymore“ (1974). 1977 gewann er an der Seite von Barbra Streisand einen Golden Globe Award für die Rolle eines ausschweifenden Rockstars in „A Star is Born“. In Sam Peckinpahs Western „Pat Garrett and Billy the Kid“ von 1973 spielte er zusammen mit James Coburn die Rolle des berüchtigten Outlaws.
Im Jahr 2004 wurde er in die Country Music Hall of Fame aufgenommen. Der Geschäftsführer des Country Music Hall of Fame and Museum, Kyle Young, schrieb auf der Plattform X: „Kris Kristofferson glaubte, dass Kreativität gottgegeben ist und dass diejenigen, die diese Gabe ignorieren, zum Unglücklichsein verdammt sind. Er predigte, dass ein Leben des Geistes der Seele eine Stimme gibt, und seine Arbeit gab nicht nur seiner Seele eine Stimme, sondern auch der unseren. Er hinterlässt ein durchschlagendes Vermächtnis.“
Quelle: dpa
Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet, war Kris Kristofferson ein Erneuerer und ein Zerstörer, (vor allem körperlich) liebesbedürftig und gewalttätig, reflektiert und hedonistisch. Unter dem Einfluss seines seit 1970 tonangebenden Songschreibertums und seines von wenig Beherrschung geprägten Lebensstils legte die amerikanische Music City ihren Pat-Boone-Puritanismus ab und wurde „New Nashville“; genauso, wie er selbst und zur selben Zeit zu einem integralen Bestandteil von „New Hollywood“ wurde, als „singender Cowboy“ im zweiten Dennis-Hopper-Film wie, vor allem, als Stichwortgeber für Martin Scorseses „Taxi Driver“, wo die schöne, leider etwas beflissene Cybill Shepherd die Vorstellungskraft von „Gottes einsamstem Mann“ Robert De Niro mit der Diagnose herausfordert: „He’s a poet he’s a picker he’s a prophet he’s a pusher / He’s a pilgrim and a preacher and a problem when he’s stoned / He’s a walking contradiction partly truth and partly fiction“.
Das ist aus dem Song „The Pilgrim, Chapter 33“, den Kristofferson Johnny Cash gewidmet hat, der aber genau so gut auf ihn selbst passt, wie das gleichfalls auf Cash und dessen Frau June gemünzte „To Beat the Devil“. Vor die Notwendigkeit, dem Teufel ein Schnippchen zu schlagen, ist man eigentlich nur gestellt, wenn man an ihn glaubt und sich mit ihm einlässt. Kristofferson tat beides und hatte damit die meiste Zeit seines langen Lebens auch gut zu tun. Viele seiner Lieder handeln von Hingabe und Übertritt, Sehnsucht und Ernüchterung, Sünde und Vergebung.
Das Literaturstudium des Oxforder Rhodes-Stipendiaten, der er bis 1960 war, wird sicher nicht geschadet haben, als es darum ging, seine Einsichten in wenige, klug formulierte, zuweilen sprichwörtlich gewordene Verse zu packen – „Loving Her Was Easier (Than Anything I’ll Ever Do Again)“, „Sunday Mornin’ Comin’ Down“ und, besonders schön, „Help Me Make it Through the Night“. Im wesentlichen war es aber wohl angeborenes Talent, gepaart mit der Lebenserfahrung des geborenen Texaners, des ehemaligen und als solcher drei Jahre in Bad Kreuznach stationierten Air-Force-Captains, des Gelegenheitsarbeiters und des Trunkenbolds.
Man muss sich das mal vorstellen: Als Bob Dylan in Nashville „Blonde On Blonde“ (1966) aufnahm, hörte Kristofferson mit dem Besen in der Hand zu, weil er den Fußboden des Columbia-Studios fegen musste – eine Szene wie die im Juni 1964, als die Rolling Stones in Chicago ihre Bluesstücke aufnahmen und den Mund nicht mehr zukriegten, weil Muddy Waters sich dort als Hilfsarbeiter nützlich machen musste. Phasen solch krasser Unterprivilegiertheit kannte Kristofferson nicht, auch keine urheberrechtlichen Enteignungen; dafür war er dem Establishment, das sich einen Outlaw wie ihn ganz gerne leistet, dann doch zu verhaftet, und dafür hatte er mit seinen zahlreichen Filmrollen – für Scorsese, Michael Cimino und mehrere für Sam Peckinpah, am denkwürdigsten in „Pat Garrett & Billy The Kid“ (1973) – auch ein zu festes zweites Standbein.
Es gibt diese Singer-Songwriter, bei denen die Bedeutung des Interpreten hinter der des Autors zurückfällt, Randy Newman zum Beispiel, Bobby Womack, ja, sogar von Dylan gibt es eine Reihe von Songs, die andere viel besser eingesungen haben als er selbst. Doch wenn man sich die schwermütige Schönheit vergegenwärtigt, die Kris Kristofferson mit seinem oft in den Bass abgleitenden Bariton und mit seiner wunderbaren Lyrik auf seinen vielen Platten ausgebreitet hat, dann möchte man ihn doch lieber zu den großen, wenn auch nicht immer ganz einfachen Persönlichkeiten zählen.
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