Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat mit seinem „Konzept für Wachstum und Generationengerechtigkeit“ ein Grundsatzpapier vorgelegt, das in Berlin für erheblichen Wirbel sorgt. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet, erinnert Lindners Vorgehen an das Lambsdorff-Papier von 1982, das zum Bruch der sozial-liberalen Koalition führte. Die Frage steht im Raum: Hat auch Lindners Schreiben das Zeug zum Scheidungsbrief?
Lindners Papier analysiert die deutsche Wachstumsschwäche und verbindet sie mit konkreten Handlungsempfehlungen. Laut FAZ stellt die schonungslose Analyse die wirtschaftspolitischen Positionen von SPD und Grünen fundamental in Frage. Die konkreten Empfehlungen im Papier könnten von den Koalitionspartnern kaum akzeptiert werden, ohne ihr bisheriges Handeln zu widerrufen. Beobachter sprechen von gezielten Provokationen, die FAZ verwendet sogar den Begriff "Gemeinheiten".
Lindners Kernaussage: Deutschland schwäche sich selbst. Übermäßige Regulierung und Bürokratie lähmten Innovationskraft und Unternehmergeist. Zudem werde in Deutschland zu wenig gearbeitet, ein Problem, das durch das Ausscheiden der Babyboomer aus dem Erwerbsleben noch verschärft werde. Der deutsche Sonderweg beim Klimaschutz verteuere Energie und mache Teile des produktiven Kapitalstocks vorzeitig wertlos, so Lindner laut FAZ.
Der Finanzminister unterscheidet laut Spiegel zwei Denkschulen. Die erste setze auf staatliche Interventionen und Lenkung durch Verbote und Subventionen. Lindner kritisiert diese Denkweise, die er mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) assoziiert, und spricht von einer Bevorzugung etablierter Unternehmen auf Kosten des Mittelstands. Die zweite Denkschule, der sich Lindner laut Spiegel selbst zuordnet, setzt auf die Verbesserung der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen und technologieoffene Stärkung des Wirtschaftsstandortes.
Lindner fordert einen sofortigen Stopp neuer Regulierungen und nennt als Beispiele das Tariftreuegesetz, das Lieferkettengesetz und das Entgelttransparenzgesetz, wie die F.A.Z. berichtet. Er will den Solidaritätszuschlag senken und die Körperschaftsteuer reduzieren. In der Klimapolitik widerspricht er laut FAZ den Positionen von Wirtschaftsminister Habeck. Lindner argumentiert, dass Deutschlands Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen gering sei und nationale Maßnahmen den globalen Anstrengungen untergeordnet werden sollten. Er plädiert für die Abschaffung des Klima- und Transformationsfonds und eine Abkehr von technologie-spezifischen Subventionen, wie der Förderung erneuerbarer Energien.
Die Reaktionen auf Lindners Vorstoß sind heftig. Die Union spricht laut t-online von einer „ultimativen Scheidungsurkunde“ und fordert Neuwahlen. Innerhalb der Ampel-Koalition gibt es ebenfalls Kritik. SPD-Politiker sprechen von „neoliberaler Phrasendrescherei“, während die Grünen das Papier als „Nebelkerze“ bezeichnen, so der Deutschlandfunk. Die Haushaltsverhandlungen für 2025, bei denen Milliardenlücken geschlossen werden müssen, gelten als entscheidend für den Fortbestand der Koalition.
Ob Lindners Papier tatsächlich zum Bruch der Ampel-Koalition führt, bleibt abzuwarten. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob die Koalitionspartner einen Kompromiss finden oder ob der Streit um die Wirtschaftspolitik zum endgültigen Scheitern der Regierung führt.
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