Die kalabrische Mafia-Organisation 'Ndrangheta ist außerhalb Italiens nirgends so aktiv wie in Deutschland. Ein laufender Prozess in Kalabrien bietet nun Einblicke in die mutmaßlichen Machenschaften der Organisation in München, insbesondere in den Bereich der Geldwäsche.
Im Zentrum der Ermittlungen steht Benjamino G., Miteigentümer einer Autoreinigungs- und Reparaturfirma mit Filialen in Münchner Einkaufszentren. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) berichtet, zeichnen abgehörte Telefongespräche ein Bild von möglichen kriminellen Aktivitäten. Benjamino G. soll seinen Eltern gegenüber die Bedeutung der Steuerzahlung in Deutschland betont haben – selbst im Falle schwerster Verbrechen. Dies berichtet die F.A.Z. in einem Artikel vom 30.10.2024.
Die Ermittler des bayerischen Landeskriminalamts (LKA) verdächtigen Benjamino G. und seine Partner, die Autowaschanlagen als Geldwaschanlage zu nutzen. Im Mai 2023 wurde G. im Zuge der Anti-Mafia-Operation „Eureka“ festgenommen. Der Prozess gegen ihn und über 100 weitere Angeklagte findet derzeit in Kalabrien statt. Die Vorwürfe umfassen Mitgliedschaft in der Mafia, Drogenhandel, Geldwäsche und illegalen Waffenbesitz. Es geht um das globale Netzwerk des Clans aus San Luca, einem Dorf in Kalabrien, das als Hochburg der 'Ndrangheta gilt. Laut F.A.Z. soll Benjamino G. seinen Eltern von einer Steuerschuld von 30.000 Euro berichtet und erklärt haben, sein Partner Michele hole „ein bisschen Geld“ aus einem Tresor in Italien, um diese zu begleichen.
Das Geschäftsmodell der Autowaschanlage wirft Fragen auf. Wie die F.A.Z. berichtet, soll Benjamino G. Tageseinnahmen von mindestens 1000 Euro pro Filiale angestrebt haben – unabhängig von der tatsächlichen Kundenzahl. Die Angestellten hätten laut G. „ein oder zwei Autos pro Tag“ gereinigt. Die Auswertung von Kassenbüchern und Terminkalendern durch das LKA ergab Ungereimtheiten. Am 8. März 2021 beispielsweise waren zwei Kunden angemeldet, die Tageseinnahmen betrugen jedoch 15.653,30 Euro. Bei einem Durchschnittspreis von 100 Euro pro Autowäsche wären das 156 Fahrzeuge.
Den Ermittlern gelang es durch einen belgischen Undercover-Agenten, der das Vertrauen einer kalabrischen Gastwirtsfamilie in Genk gewonnen hatte, den mutmaßlichen Machenschaften auf die Spur zu kommen. Dort wurde ihm ein „Cousin“ aus München vorgestellt, der sich später als Domenico R. herausstellte. Wie der MDR und die F.A.Z. berichten, soll R. im Netzwerk der San-Luca-Clans eine wichtige Rolle gespielt haben. Er soll Kryptohandys besorgt und gefälschte Impfpässe organisiert haben. Der Anwalt von R. weist die Vorwürfe zurück.
Die Ermittlungen deuten darauf hin, dass München ein wichtiger Knotenpunkt im Netzwerk der San-Luca-Clans ist. Michele M., der Ehemann der offiziellen Eigentümerin der Autowaschfirma, Teresa M., gilt als mutmaßlicher Organisator der Geldwäsche. Er war bereits um die Jahrtausendwende im Visier der Behörden im Zusammenhang mit italienischen Restaurants in Erfurt, die als Stützpunkte der 'Ndrangheta galten. Später betrieb er ein Restaurant in München, das 2019 im Rahmen eines Kokain-Verfahrens durchsucht wurde.
Wie MDR und F.A.Z. berichten, reisten der Schwager von Michele M. und Sebastian C., ein Angestellter der Autowaschfirma, nach Südamerika, um neue Kokainlieferanten zu suchen. Entschlüsselte Krypto-Chats belegen die mutmaßlichen Absprachen über Preise und Lieferbedingungen. Michele M. soll die beiden von München aus angeleitet haben. Die Chats zeigen auch, dass die San-Luca-Clans zwar auf ihr globales Netzwerk setzen, finanziell aber jeder sein eigenes Ding macht. Sebastian C. soll beispielsweise direkt bei einem Drahtzieher in San Luca Kokain für 8750 Euro bestellt haben und damit einen Gewinn von 17.500 Euro erzielt haben.
Die Ermittlungen zeigen ein komplexes Bild der mutmaßlichen Aktivitäten der 'Ndrangheta in München. Die Autowaschanlagen stehen im Verdacht, zur Geldwäsche genutzt worden zu sein. Die Ermittlungen dauern an.
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