October 1, 2024
Vernachlässigung in der häuslichen Pflege: Prozess gegen Ehepaar in Berlin

Ein Ehepaar steht in Berlin vor Gericht, weil es seine pflegebedürftige Mutter vernachlässigt haben soll. Wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet, räumte die 37-jährige Tochter vor dem Berliner Landgericht ein, „sehr viel falsch gemacht“ zu haben. Sie habe den Zustand ihrer Mutter nicht wahrgenommen. Es sei jedoch nicht böswillig geschehen. Ihr 43-jähriger Ehemann schilderte Überforderung; ihr Leben sei damals „völlig außer Kontrolle geraten“. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Paar Misshandlung von Schutzbefohlenen und Körperverletzung mit Todesfolge vor.

Laut Anklage sollen die Angeklagten seit November 2023 ihrer übernommenen Pflegeaufgabe nicht mehr adäquat nachgekommen sein und die seit Jahren an Multipler Sklerose erkrankte 62-Jährige, die in der gemeinsamen Wohnung in Berlin-Pankow lebte, „böswillig vernachlässigt“ haben. Die Leiden der bettlägerigen Frau hätten sie missachtet, gleichgültig und aus gefühlloser Gesinnung.

Den Ermittlungen zufolge muss die pflegebedürftige Mutter vor ihrem Tod ein Martyrium erlebt haben. Wie die „Zeit“ berichtet, soll die Frau zuletzt im Juni 2022 von einem Arzt untersucht worden sein. Die Angeklagten hätten sie nur noch mit Wasser aus einem Kanister versorgt, sie habe in einem völlig verdreckten, mit Insekten befallenen Zimmer gelegen. Sie habe sich nicht mehr allein bewegen können. Die Frau habe sich „wundgelegen“, so die Anklage. Einige der Wunden sollen demnach bereits von Maden befallen gewesen sein.

Am 16. Dezember 2023 verständigten die Eheleute einen Rettungswagen. Die 62-Jährige wurde stark dehydriert und vernachlässigt in ein Krankenhaus gebracht. Sie erlitt unter anderem eine Blutvergiftung, ein akutes Nierenversagen und multiple Thrombosen. Ärzte schalteten umgehend die Polizei ein. Am 26. Dezember starb die 62-Jährige an Multiorganversagen, das infolge der Verwahrlosung eingetreten sei, so die Anklage.

Die Tochter sagte aus, sie habe ihre Mutter geliebt und sich um sie gekümmert. „Sie war ein toller Mensch, aber auch anstrengend, sie hatte ihren eigenen Kopf.“ So habe ihre Mutter keine Hilfe bei der Körperpflege annehmen wollen - „sie ließ es nicht zu“. Sie selbst sei damals auch beruflich überlastet gewesen. Dass sich ihre Mutter in einem derart schlechten Pflegezustand befand und offene Wunden hatte, habe sie nicht wahrgenommen.

Als die Mutter schwer atmend auf einem Sofa in der Wohnung lag, holten die Angeklagten Hilfe. Knapp einen Monat nach dem Tod der Frau wurde das Paar festgenommen. Die 37-Jährige kam nach etwa zwei Wochen wieder auf freien Fuß, vermutlich wegen der gemeinsamen Tochter. Der Mann befand sich vier Monate in Untersuchungshaft. Der Prozess wird am 8. Oktober fortgesetzt.

Quellen:

- Zeit Online - Der Tagesspiegel
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