October 1, 2024
Wandel und Suche nach Identität: Der Parteitag der britischen Konservativen

Großbritannien: Geistertreffen in Marineblau

Der Parteitag der britischen Konservativen in Birmingham gleicht einem Treffen mit Geistern der Vergangenheit. In ihren traditionellen marineblauen Anzügen wirken viele Tories, als hätte sich seit der Wahlniederlage im Juli nicht viel verändert. Doch der Schein trügt. Hinter der Fassade der Vertrautheit verbirgt sich eine tiefe Verunsicherung. Erstmals seit 15 Jahren findet sich die Partei in der Rolle der Opposition wieder. Die Mehrheit der Abgeordneten hat ihre Ämter verloren, und nun sucht man verzweifelt nach einer neuen Identität.

„Die Wahlen waren ein Desaster“, bringt es Alicia Kearns, eine der wenigen, die ihren Parlamentssitz halten konnten, auf den Punkt. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, versammeln sich die verbliebenen 121 Tory-Abgeordneten – von einst 365 – unter dem Motto „Review and Rebuild“ in Birmingham. Doch wie der Wiederaufbau nach der Wahlschlappe aussehen soll, ist völlig unklar.

Vier Kandidaten buhlen um den Parteivorsitz und damit um die Deutungshoheit über die zukünftige Ausrichtung der Tories. Tom Tugendhat, ehemaliger Soldat und Vertreter der politischen Mitte, setzt auf die Themen Verteidigung und Parteireform. Robert Jenrick und Kemi Badenoch hingegen verorten sich am rechten Rand der Partei und wollen mit einer restriktiven Migrationspolitik und einer klaren Abgrenzung zur EU punkten. James Cleverly, ehemaliger Innenminister unter Sunak, versucht, die zerstrittene Partei mit dem Fokus auf Einigkeit und einem Imagewandel wieder zu einen.

Die tiefe Spaltung der Partei wird auch durch eine Anekdote deutlich, die sich am Rande des Parteitags ereignete. Wie das Portal "Politico" berichtet, beschwerte sich das Team von Kandidat Robert Jenrick darüber, dass das für ihn vorgesehene Hotelzimmer zu nah an dem seiner Konkurrentin Kemi Badenoch liege. Man könne durch die Wände hören, hieß es.

Alex Challoner, Vize-Chef der gemäßigten "Tory Reform Group", sieht in Tom Tugendhat den einzigen Kandidaten, der den Konservativen den Weg zurück an die Macht ebnen könne. Wie er der "Süddeutschen Zeitung" erklärte, fühlten sich viele Parteimitglieder in den vergangenen Jahren von der Partei im Stich gelassen. Das Vertrauen sei zerstört, und die Tories müssten ihren Tonfall und ihr Image grundlegend verändern, um wieder wählbar zu werden.

Trotz der schwierigen Lage ist die Stimmung in Birmingham verhalten optimistisch. Die Tories scheinen sich in der Opferrolle zu gefallen. „Labour hat die Wahl nicht gewonnen, sondern wir haben sie verloren“, lautet der Tenor. Man müsse die Wähler nur wieder an die alten konservativen Werte erinnern. Doch ob diese Rechnung aufgeht, ist fraglich. Der Parteitag in Birmingham ist nur der Auftakt für einen langen und steinigen Weg zurück zu alter Stärke. Die Herausforderung für die Tories wird es sein, sich in der Opposition neu zu erfinden, ohne die eigene Seele zu verkaufen.

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